Lasst uns nicht allein !
Wer ein Kind verliert, braucht viel Trost und Nähe. Nur so lässt sich der Schmerz ertragen, weiß Eff-Leserin Petra B.
An einem Sonntag kam der Tod in unser Leben. Ohne jede Vorwarnung, wie im Film. Plötzlich steht die Polizei vor der Tür und überbringt die Nachricht. „Ihre Tochter hatte einen Autounfall. Sie hat nicht überlebt.“ Die Polizisten sind überfordert und froh, schnell wieder gehen zu können. Und wir? Wir sind wie gelähmt – und wir sind allein. Mein Mann, die Kinder und ich.
Was hätten wir in dieser Situation dafür gegeben, mit jemandem sprechen zu können. Angeblich soll ja so etwas wie eine Akutversorgung existieren – Psychologen, die einem über die ersten Stunden helfen; die man in den ersten Wochen kontaktieren kann, immer dann, wenn man nicht mehr weiter weiß. Oder wenn die Sehnsucht, dem toten Kind zu folgen, übermächtig zu werden droht.
Wir hatten all dies nicht. Aber wir hatten Freunde, ganz liebe Freunde. Ohne sie hätte ich das alles nicht geschafft. Sie sind sofort gekommen, sie haben angerufen – jeden Tag. Haben eingekauft, Behördengänge erledigt, die Beerdigung organisiert.
Ich hatte ja keine Ahnung, was da alles auf einen einstürmt: Versicherungen, Krankenkassen – alle wollen sofort etwas. Und dann dauert es am Ende doch fast ein halbes Jahr, bevor sie die erste Zahlung anweisen. Warum bitt muss man dann schon zwei Tage nach dem Tod Formulare ausfüllen? Und – völlig absurd – warum werden Briefe an unsere tote Tochter adressiert?
Die Mitarbeiter in diesen Behörden sind doch immer wieder mit dem Tod konfrontiert; sie machen sich trotzdem keine Gedanken, wie man angemessen mit den Hinterbliebenen umgeht. Ihr Leid wird einfach ignoriert.
Das passiert uns öfter – auch im Umfeld. Oder wie sonst soll ich mir erklären, dass der Rektor bei unserem Sohn die Entschuldigung für die Beerdigung seiner Schwester anmahnt. Er hätte einen Brief zum Tod unserer Tochter schreiben können – er hat sie gekannt. Ein paar Zeilen nur, wir hätten uns sehr darüber gefreut. Jede kleine Geste tut uns gut, jeder liebe Blick hilft uns, den Verlust zu ertragen.
Die Menschen müssen das wissen. Denn ich glaube, dass sie oft aus Angst und Unsicherheit schweigen. Ja, dass sie uns deshalb manchmal sogar aus dem Weg gehen. Gerade jetzt, wo ein bisschen Zeit verstrichen ist. Auch bei einigen Bekannten spüre ich manchmal so etwas wie Ungeduld darüber, dass der Schmerz noch so tief sitzt.
ICH MÖCHTE ÜBER MEIN KIND REDEN
Aber was sind sechs Monate, die seit jenem Sonntag vergangen sind? Ich sehe 19 Jahre, die ich mit meiner ältesten Tochter erlebt habe. Szenen, die ich nie mehr erleben werde: Ich werde sie nicht mehr Lachen sehen, nicht mehr spüren; ich werde sie nie mehr bei Liebeskummer trösten können. Und ich werde nie ihre Kinder auf meinem Schoß sitzen haben.
Darüber möchte ich mit jemandem sprechen, zum Beispiel bei einem Spaziergang über den Friedhof. Es kann sein, dass ich dabei weine, aber es tut mit trotzdem gut.
Mein Mann sagt bitter, dass die meisten Menschen unsere Gefühle nicht interessieren. Vielleicht trauert er deshalb so still – und frisst viel in sich hinein – wie übrigens viele Väter.
Ich lasse meinen Gefühlen freien Lauf. Wenn ich zum Beispiel merke, dass jemand gar nicht wirklich hören will, wie es uns geht, drehe ich mich entweder einfach weg, oder ich sage die Wahrheit.
Ich bin kompromissloser geworden. Aber auch dankbarer. Ich bin dankbar für die Menschen, die es sich nicht leicht machen und uns immer wieder aufbauen. Denn durch sie erfahren wir das Mitgefühl und das Verständnis, das wir jetzt so sehr brauchen.
PETRA M. MIT CLAUDIA IM HERZEN UND ANN-KRISTIN NEBEN SICH
Eine sehr hilfreiche Seite im Internet:
www.leben-ohne-dich.de