Eine trauernde Mutter fand Hilfe in neuer Gemeinschaft
Von Ulrich Braun
„Es ging ein Stück von mir, als der Sarg in die Erde gelassen wurde“, schildert Ute S. ihre Gefühle. Vor einem halben Jaht starb der Sohn Jörg. 30-jährig. Für die Mutter brach eine Welt zusammen. „Zunächst habe ich gedacht, es geht nicht mehr weiter.“ Verzweifelt suchte die Hausfrau nach Hilfe für ihre Trauerarbeit.
„Ich saß lustlos in der Küche herum, habe die Wände angestarrt.“ Eine Frage, die sie unentwegt beschäftigte: „Wer trägt die Schuld am Tod meines Kindes?“ Doch einen Schuldigen gab es nicht. Jörg war den Folgen einer schweren Gehirnblutung erlegen. In den ersten schweren Stunden nach dem Tod des Sohnes hätten ihr die Pastorinnen Birgit Tepe und Kirsten Düsterhöft „super“ beigestanden. Ute S. suchte dann die Nähe und den Beistand anderer Mütter, die ein vergleichbares Schicksal erlitten hatten. Und fand schließlich im Internet unter „www.leben-ohne-dich.de“ Ansprechpartner einer Selbsthilfegruppe verwaister Eltern, die sich in Mülheim trifft. Sie schickte eine Email, erhielt Antwort und hatte nach dem ersten Treffen das Gefühl: „Da wirst Du verstanden, da gehörst Du hin“. Denn leider hätten alte Freunde es nicht mehr ertragen, wenn sie über Jörgs Tod sprach. Bekanntschaften zerbrachen. Um so mehr tröstet es Ute S., dass ihre Familie uneingeschränkt hinter ihr steht, die besondere Situation der Trauerarbeit anerkennt und diese unterstützt.
Andererseits sind da noch die Nicht-Betroffenen: „Viele von ihnen haben Ängste, wissen nicht, wie sie sich einem gegenüber verhalten sollen“, musste sie erfahren. Auch darüber wird in der Mülheimer Selbsthilfegruppe, die sich zweimal im Monat in der Diakonie „Am Eck“, Hagdorn 1, trifft, gesprochen. Das erste Treffen ist jeweils einem bestimmten Thema gewidmet, die zweite Zusammenkunft kann mit „reden“ umschrieben werden.
Irgendwann war für Ute S. der Punkt gekommen, an dem sie sich sagte: „Mein Kind will nicht, dass ich so lebe“. Sie habe wieder mehr Wert auf Körperpflege gelegt, wieder begonnen, regelmäßig zu kochen, auch mal einen Kuchen zu backen. Und die Mutter ging nicht mehr täglich zu Jörgs Grab. „Heute kann ich sogar wieder lachen, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben“, freut sich die Frau über jeden kleinen Fortschritt. „Denn nach dem Tod meines Sohnes habe ich nur vegetiert, nicht mehr gelebt“.
Abes es gibt auch Rückschläge, erfuhr die Heiligenhauserin. „Mal geht es einem ein bisschen gut, dann geht es wieder abwärtz.“ Ute S. ist überzeugt davon, dass es in der Stadt und im Umkreis genügend Mütter und Väter gibt, die ein ähnliches Schicksal erlitten haben. „Das sehe ich, wenn ich auf den Friedhof komme und die Grabsteine jung verstorbener Menschen lese“. Den Hinterbliebenen möchte sie Mut machen, sich auch einer Gruppe anzuschließen, um in der Gemeinschaft das Erlittene zu verarbeiten, vielleicht sogar eine neue Selbsthilfegruppe für Heiligenhaus oder den Kreis zu bilden.
Die 53-Jährige stellt aber eines unmissverständlich klar: „Vergessen kann man sein Kind niemals. Es wird immer ein Teil des Lebens bleiben“.