Westfalenpost vom 13.09.2004 (Lokalausgabe Schwelm)

Trauer um Kind hat kein Verfallsdatum

Ehepaar Todtenhausen verlor die Tochter

Schwelm

Zum 6. Kennenlerntreffen im sauerländischen Attendorn trafen sich am 4. und 5. September 24 Mütter und Väter, deren Kinder ums Leben kamen. Diesmal war auch das Schwelmer Ehepaar Dagmar und Wolfgang Todtenhausen zum ersten Mal dabei, das im vergangenen Jahr seine neunjährige Tochter Julia durch einen plötzlichen Herztod verloren hat.

Zu dem Treffen hatte der Verein „Leben ohne Dich“, der seinen Sitz in Mülheim/Ruhr hat, eingeladen. Die Schicksale, die zur Sprache kamen, sind unterschiedlich, aber stets tragisch: Eine Mutter bringt ein Mädchen zur Welt, das nach über einem Jahr ärztlicher Behandlung noch im Krankenhaus stirbt. Da entdeckt eine Mutter ihren 11-jährigen Sohn aus ungeklärter Ursache tot im Bett. Eine Tochter verliert ihr Leben, weil ein Ärzt den Herzkatheter falsch gesetzt hat. Ein Sohn sieht plötzlich keinen Sinn mehr im Leben und erschießt sich. Ein Vater bringt nach einem Streit seine kleinen Söhne um. Schicksale, die betroffen machen.

Ob aus Berlin, Salzgitter, ja sogar aus Zürich und Basel waren die Eltern gekommen, die ein gemeinsames Schicksal verbindet: der Tod ihres Kindes. Viele der Betroffenen erzählten unter Tränen, so berichtet es das Ehepaar Todtenhausen, dass der „Verlust“ schon kurz nach dem Tod des Kindes im gesamten Freundes- und Bekanntenkreis kein Thema mehr wäre oder sich diese vormals wichtigen Menschen ganz zurückgezogen haben. Das „Ereignis“ würde sogar innerhalb der eigenen Familie im wahrsten Sinne des Wortes „totgeschwiegen“.

Dagmar und Wolfgang Todtenhausen: „Da werden Vorschläge gemacht, sich doch einfach ein Waisenkind zu nehmen. Da werden die verwaisten Eltern nach zwei Monaten gefragt, ob es denn schon besser ginge, als ob die Trauer um den Verlust des Kindes ein Verfallsdatum hätte. Ehemalige Bekannte bleiben im Auto sitzen, bis die Betroffenen vorbei gegangen sind.“

Bei dem Treffen zeigte sich auch, dass es offensichtlich keinen Platz in unser Gesellschaft gibt für Mütter und Väter, die ihr Kind verloren haben. Es gelte nicht, erläutern die Todtenhausens, hier diesen Missstand anzuklagen, sondern dieses Thema aus der Verdrängungsnische zu holen und allen zugänglich zu machen.

Das Ehepaar Todtenhausen bittet in Vertretung aller verwaisten Eltern darum, sich Zeit zu nehmen, wenn man die scheinbar lapidare Frage: „Na, wie geht es euch?“ stellt. Jeder sollte aber vorher wissen, auf was er sich einlässt, wenn er oder sie diese Frage ernsthaft gestellt hat. Sie betonen außerdem, dass man verwaiste Eltern auch einladen kann, ohne befürchten zu müssen, dass sie ständig in Tränen ausbrechen.

Mit der Einrichtung von „Leben ohne Dich“ wurde eine inzwischen grenzüberschreitende Plattform geschaffen, um Eltern zu helfen, den Tod ihres Kindes zu verarbeiten.

Als nächstes, teilt das Ehepaar Todtenhausen mit, sei die Schaffung eines Hauses geplant, in dem Mütter und Väter die Möglichkeit bekommen sollen, wenigstens zeitweise eine Auszeit nehmen zu können. Denn eines habe sich an dem Wochenende in Attendorn gezeigt: „Es kann jeden treffen, in eine solche Lebenskrise zu geraten.“